Tessin - Geschrieben am Samstag, September 10, 2016 14:05 von Franco - 0 Kommentare

Bergwanderung Capanna Ribia

10.9.16

Alle Fotos zu dieser Tour unter diesem Link ersichtlich:
Bergwanderung Vergeletto – Capanna Ribia – Vergeletto

Da wir die heutige Wanderung zusammen mit unseren Freunden Uli und
Hanspeter durchführen, sind wir mit zwei Autos unterwegs. Das hat den
Vorteil, das wir ÖV unabhängig sind. Im Valle Vergeletto ist das mit der
ÖV sowieso ein Problem. Das Postauto fährt nur 2-3 male pro Tag bis
nach Zott zuhinterst ins Vergeletto Tal.
Obwohl nur 15 Kilometer Luftlinie von Locarno entfernt, ist das Valle di
Vergeletto eines der abgelegensten Täler des Tessins. Es ist ein Seitental
des Valle Onsernone, das seinerseits bei Intragna ins Centovalli mündet.
Im Westen erstreckt es sich bis zum 2467 Meter hohen Pizzo di Porcaresc
an der Grenze zu Italien. Zwei Pässe führen ins Val di Campo im Norden.
Ganz hinten im Tal gelangt man über den Passo della Cavegn nach Cimal-
motto. Etwas weiter östlich führt die Bocchetta di Doia zur Alpe d’Alzasca
hoch über Someo im Maggiatal. Auf der Südseite verbindet der Passo del
Busan das Tal mit dem Valle Onsernone. Sämtliche erwähnte Übergänge
haben wir schon erwandert.
Mit dem Auto sind wir also ins Valle di Vergeletto bis nach Camana
1036 m.ü.M. gefahren. Dort liessen wir ein Auto stehen und sind mit
dem zweiten Auto über Zott weiter taleinwärts gefahren.
Während dem fahren drängt sich leicht der Eindruck auf, dass es die
menschliche Zivilisation mit ihren Strassen und Siedlungen gar noch
nicht hierher geschafft hat. Das Gegenteil ist wahr. Grosse Teile des
Tessins waren noch vor hundert Jahren viel intensiver besiedelt als
heute. Mit der Abwanderung und dem Zerfall der alpinen Landwirt-
schaft kehrt heute die Natur in diese Region wie in viele andere im
Alpenraum wieder zurück und lässt eine neue Wildnis entstehen.
Nach einigen Kilometern auf der Talstrasse erreichen wir bei Punkt 1048 m.
ein kleiner Parkplatz. Direkt beim Parkplatz, zweigt rechts der Wanderweg
ab, der nach Pièi hinaufführt. Wir ziehen unsere Wanderschuhe an, schultern
unsere Rucksäcke und starten die Wanderung. Rasch ist Pièi 1089 m.ü.M.
erreicht. Wie viele Alpsiedlungen im Tessin, werden auch hier nur noch ein-
zelne Häuser unterhalten, andere verfallen still vor sich her.
Die Verstädterung des Mittellands ist nicht nur mit einer Entvölkerung der
Alpen einhergegangen, in vielen Bergregionen werden auch immer mehr
Wälder und Kulturland überhaupt nicht mehr genutzt. Am deutlichsten ist
diese Entwicklung im Tessin: Sämtliche fünf Regionen in der Schweiz mit
starker Tendenz zur Nutzungsaufgabe befinden sich im Tessin. Und das mit
Abstand ausgedehnste Gebiet ist die Region westlich der Maggia, vom Val
Bedretto bis zum Centovalli und von der Grenze zu Italien bis zur Leventina.
Unter ökologischen Gesichtspunkten hat eine solche Entwicklung auch seine
Vorteile. Mit dem Rückzug des Menschen und der Landwirtschaft können
grosse Bergregionen wieder in einen natürlichen Zustand zurückkehren,
Wälder können die einst kahlgeschlagenen Flächen wieder in Besitz nehmen,
und die Tiere haben Ruhe und Nahrung. Das ganze Valle die Vergeletto ist
heute als kantonales Schutzgebiet und fast die ganze Südseite des Tals als
Jagdbanngebiet ausgeschieden.
Durch einen Buchenwald klettert von Pièi aus, ein steiler schmaler Zickzack-
pfad über die Costa del Pianaccio, um kurz links abbiegend die Alpe del Pia-
naccio 1585 m.ü.M. zu erreichen. Bei der Alpe del Pianaccio verlassen wir den
Buchenwald und queren nach rechts ins breite Tal des Ri di Ribia, wo der Weg
am Südwest-Ufer des Baches in engen Zickzackkehren – im ersten Abschnitt
besonders steil – aufwärts führt. Durch einen locker mit kleinen Lärchen be-
wachsenen, gerölldurchsetzten Hang gewinnen wir schweisstreibend weiter
an Höhe. Im oberen verbuschten Teil überqueren wir den Ri di Ribia, wo der
Bergpfad uns danach weiterhin steil, parallel zum Wasserlauf, zur Capanna
Ribia 1996 m.ü.M. hinauf führt.
Capanneti
Ribia, dies ist ein umfunktioniertes kleines Alpgebäude ganz aus Stein, ein
Bau das sich harmonisch in die eindrucksvolle Landschaft unterhalb der
zerklüfteten Wand des Rosso di Ribia einfügt. Es ist eine einfache selbstver-
sorger Hütte, die noch den ganzen Charme des ursprünglichen Tessins aus-
strahlt, ein währschaftes, aber gut eingerichtetes kleines Steinhaus mit of-
fener Feuerstelle und schweren Holztischen. Auf der schönen Terrasse mit
schweren Granittischen und Bänke nehmen wir das mitgebrachte Mittag-
essen zu uns, und geniessen die Aussicht.
Das Valle di Vergeletto ist von einem durchgehenden Kranz von Bergen aus
verwittertem Gneis umgeben, deren höchste Erhebung der 2541 Meter hohe
Rosso di Ribia ist. Besonders die nördliche Flanke des V-förmigen Tals ist
von zahlreichen Felsbändern durchsetzt. Oberhalb der Waldgrenze wird es
etwas flacher; hier liegen zahlreiche Alpen, etwa jene von Salei, Porcaresc
oder Ribia. Auf der Alpe Alzasca konnte sich gar ein grösserer See bilden,
der Lago d’Alzasca, für viele das landschaftliche Juwel im Gebiet. Dieser
See haben wir schon besucht und waren begeistert.
Bis auf eine Höhe von etwa 1900 Metern erstreckt sich Wald. Besonders
interessant: Während auf der Südseite des Valle di Vergeletto Fichten und
Weisstannen gedeihen, sind diese beiden Baumarten auf der sonnigeren
Nordseite vollständig durch Buchen und Birken ersetzt. In den höheren
Lagen gedeihen auf beiden Seiten Lärchenwälder. Über der Waldgrenze
liegt die alpine Tundra, die sich fast ausschliesslich aus Borstgrasweiden
und etwas Horstseggenrasen zusammensetzt.
Neben der Capanna Ribia stehen noch ein paar andere Alphäuser. Einzelne
Gebäude sind frisch restauriert, andere wiederum verfallen. Nach dem
Mittagessen packen wir wieder unsere Rucksäcke, laufen durch diese kleine
Siedlung und durchqueren die Alpe di Ribia. Zwar ist der Aufstieg zu Punkt
2241 m.ü.M., einem Passübergang beim Salariél, rot-weiss-rot markiert. Da
die Alp aber nicht mehr beweidet wird, kann man im hohen Gras einige der
Markierungen leicht verpassen. Am besten nimmt man sich dann die Frei-
heit, seinen eigenen Weg zum Pass zu suchen – das Gelände ist in keiner
Weise schwierig.
In der Schweiz gibt es heute ausserhalb der Hochalpen nur noch sehr wenige
Gebiete, in denen man die Weite, die Wildheit und die Schönheit einer ur-
sprünglichen, naturbelassenen Landschaft erleben kann. Aber es gibt sie noch,
und eines der grössten von ihnen liegt am Westrand des Tessins, zwischen dem
Centovalli im Süden und dem Val Bedretto im Norden. Es ist ein abgelegenes,
nur dünn besiedeltes Berggebiet an der Grenze zu Italien und bezeichnender-
weise nicht weit entfernt vom neuen Val Grande Nationalpark, einer der unbe-
rührtesten Regionen ganz Italiens. Am intensivsten lässt sich die Ausstrahlung
und Kraft dieser Landschaft an einem klaren Herbsttag auf einem hoch gele-
genen Pass oder einem Berg erleben. Unübertroffen ist das Gefühl, im herb
duftenden, sommergetrockneten Gras zu liegen, das in der kühlen Herbstluft
leicht wogt und raschelt, unter einem azurblauen, wolkenlosen Himmel und
mit einem Weitblick über Ketten felsiger Berggrate, hoch über dem blaulichen
Dunst in den tief abfallenden Tälern. Das Valle di Vergeletto, ein Seitental des
Valle Onsernone, hat alles, was zu einem abgelegenen, ursprünglichen Tessiner
Tal gehört: eine schwindelerregend kurvige Zufahrtsstrasse, dicht gedrängte
Dörfer, die an steilen Berghängen kleben, verlassene Alpen – vor allem aber
viel Natur.
Nach dem Passübergang führen die Markierungen zur Alpe di Categn 1874 m.
ganz hinten im Valle di Fümegn. Das Valle di Fümegn ist ein Kleinod unter
den Tessiner Tälern – es ist weder ausgedehnt noch spektakulär, aber ursprün-
glich, unversehrt und mit viel unverfälschter Natur beschenkt. Keine Strasse
wurde in das Tal vorgetrieben, nicht einmal ein Weg ist in der Tiefe auszuma-
chen. Ein Lärchenwald bedeckt den Talgrund und läuft weiter oben langsam
aus, so wie es der Natur entspricht. Nur vereinzelte Alpgebäude und im Som-
mer das Blöken einiger Schafe oben auf dem Grat erinnern an die Gegenwart
des Menschen. Herrlich ist es, durch das hohe, knisternde Gras zu schlendern,
vorbei an kleinen, von Wollgrasfeldern gesäumten Hochmooren und mit Weit-
blick auf die grünen Bergketten des Locarnese. Hier bei der Alpe di Categn
beginnen wir nun mit dem Abstieg. Über einen Serpentinenweg verlieren wir
rasch an Höhe und gelangen bei Punkt 1627 m.ü.M. zum Bach der das ganze
Valle die Fümegn durchquert. An der orographisch linken Seite des namens-
losen Bach wandern wir talauswärts. Wir erreichen die Weggabelung bei Punkt
1402 m.ü.M. Hier stösst der Wanderweg von der Alpe di Doia oder von der
Capanna d’Alzasca hinzu. Vorbei an Fümegn 1338 m.ü.M. verlieren wir in die-
sem tief eingeschnittenem, wilden, und einsamen Tal stetig an Höhe. Vorbei
an Punkt 1203 m.ü.M. erreichen wir Passo. Hier ändert das Tal den Namen.
Neu heisst es Valle della Camana. Der Bach hat sich hier tief in den Fels hinein
gegraben. Glatt geschliffene Felsen laden zum sitzen ein. Hier legen wir eine
kleine Pause ein, und geniessen diese wilde Gegend. Schon nach kurzer Zeit
erreichen wir Camana 1036 m.ü.M. Während der Fahrt nach Locarno sprechen
wir noch lange über diese schöne Wanderung.
Im Albergo Elvetico in Locarno beziehen wir unsere Hotelzimmer.
Albergo Elvetico
Hotelzimmer und Bad sind OK. Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Bei einem
guten Nachtessen besprechen wir unsere morgige Wanderung.

Die Region des Locarnese
mit ihren abgelegenen,
verlassenen Alpen und
weiten Wäldern gehört
zweifellos zu den
“wildesten” Gebieten
der Schweiz.
Der Aufstieg zur Hütte
ist steil und direkt,
doch wird sich
jedermann, der ihn
unter die Füsse nimmt,
hier oben für seine
Schweisstropfen
reichlich belohnt fühlen.

Tourenblatt mit Wanderkarte und Höhenprofil
Link zu den anderen Wanderungen
Für die ganze Strecke benötigten wir ca. 5 1/4 Std. 11,5 km
ca.1290m Aufstieg
ca.1290m Abstieg
2242m höchster Punkt
1024m tiefster Punkt

Über einen Eintrag in unserem Gästebuch
Link zum Gästebuch
würden wir uns freuen

Manuela & Franco



Es können keine Kommentare abgegeben werden.

AKTUELL IM BLOG


    Notice: Undefined variable: pre_HTML in /var/www/ch.giacomello.archive.blog/wp-content/themes/wanderungsblog/sidebar.php on line 59

    Notice: Undefined variable: post_HTML in /var/www/ch.giacomello.archive.blog/wp-content/themes/wanderungsblog/sidebar.php on line 67

MEHR ZUM THEMA Jakobsweg


MEHR ZUM THEMA Tessin


MEHR ZUM THEMA Glarnerland