Tessin - Geschrieben am Montag, September 12, 2016 20:22 von Franco - 0 Kommentare

Wanderung Rasa – Intragna

12.9.16

Alle Fotos zu dieser Tour unter diesem Link ersichtlich:
Wanderung Rasa – Intragna

Auch diese Nacht hörten wir Hundegebell. Ich stand auf und schaute aus
dem Fenster. Sofort wurde mir klar, wieso die Hunden bellen. Ein streu-
ender Fuchs, der vermutlich nach Essbarem suchte, war der Grund. Am
Morgen packten wir die Rucksäcke und gingen danach hinunter in den
Frühstücksraum vom Albergo Elvetico.
Albergo Elvetico
Draussen auf der Terrazza genossen wir das Frühstuck und das schöne
Wetter. Mit dem Auto fuhren wir danach nach Intragna. Dieses kleine
Dorf besitzt mit 69m den höchsten Kirchturm des ganzen Tessin! In
Intragna stiegen wir danach in die Centovallibahn.
Centovalli
Die Kombination von mildem Klima und tiefer Lage erlaubt es, sich schon
früh im Frühling oder noch spät im Herbst auf die Socken zu machen, denn
in diesem Teil des Tessins bleibt der Schnee jeweils selten lange liegen. Ge-
rade wenn auf der Alpennordseite graue Nebel lasten, bietet ein solcher Tag
unter südlicher Sonne die beste Erholung für Körper und Seele. Schon die
Anfahrt mit der Centovalli-Schmalspurbahn auf kurven- und tunnelreicher
Strecke ist ein Erlebnis und gibt erste Eindrücke dieser in der Schweiz ein-
maligen Landschaft. Wo sonst findet sich ein schluchtartiges Bergtal in
West-Ost-Ausrichtung mit ausgeprägter Sonn- und Schattenseite, dessen
Sohle tiefer liegt als alle Städte nördlich der Alpen?
Bei der winzigen Fermata von Verdasio, wo die Regionalzüge der Cento-
vallibahn und auch einige wenige Schnellzüge halten, steigen wir nach
einer schönen Zugfahrt aus. Mit der Luftseilbahn gelangt man in fünf
Minuten hinauf nach Rasa 898 m.ü.M. Die Bergfahrt mit der Luftseil-
bahn – in Betrieb ab Anfang Marz bis gegen Mitte November – ist ein Er-
lebnis, das nur Schwindelfreie so richtig geniessen können. Gleich nach
dem Start überquert die kleine Kabine die Melezzaschlucht. Da sich der
Talfluss im Verlauf von Jahrtausenden tief ins Gesteinsfundament gefre-
ssen hat, münden die ungefähr hundert Seitentäler (Centovalli heisst
“hundert Täler”) mit Steilstufen ins Haupttal. So stürzt sich direkt unter
der Seilbahn ein Wasserfall in die Melezza.
Rasa besitzt als einziges Tessiner Dorf keine Zufahrtsstrasse. Im autover-
narrten Südkanton hat dies Konsequenzen: Der Ort ist von seinen ursprün-
glichen Bewohnerinnen und Bewohnern weit gehend verlassen, Landwirt-
schaft wird bloss noch spärlich betrieben. Das Dorf liegt auf einer Sonnen-
terrasse mit wunderschönem Panorama. Erst im Jahre 1958 wurde Rasa
durch eine Seilbahn mit dem Tal verbunden. Gerade durch seine Abgeschie-
denheit konnte dieses Gebirgsdorf seine charakteristischen Merkmale be-
wahren. Rasa liegt am Fuss des Ghiridone Wie der Boden ist auch das Klima
bei 900 m in Rasa recht rau, und wenn unter bedecktem Himmel ein Fall-
wind vom Ghiridone-Massiv herunterweht, sitzt selbst im Sommer niemand
im blossen Hemd auf der Terrasse des Camporasa.
Camporasa
Dieses Gasthaus ist die einzige Verpflegungsmöglichkeit am Schattenhang
des Centovalli. Hier kehren wir ein und geniessen einen feinen Kaffee. Nach
der Kaffeepause unternehmen wir einen kleinen Rundgang durch das kleine
Dorf. Deutlich erkennbar ist der Einfluss der Auswanderungswelle in die
Toscana. Insbesondere die Kirche und der elegante Kirchturm konnten nur
dank des Beitrags und der Arbeit ganzer Auswanderergenerationen erbaut
werden. Zu sehen ist im dunklen Raum freilich nicht sehr viel, umso eindrü-
cklicher wirkt der Geruch nach Kerzenwachs, Weihrauch und Moder. Weil
der karge Boden nur wenig Ertrag liefert, mussten schon im 19.Jahrhundert
manche Männer zeitweise Beschäftigung in der Fremde suchen, etwa als
Hafenarbeiter in Livorno. Als Erbe aus dieser Zeit sprach man in Rasa noch
lange einen Dialekt mit toscanischem Tonfall. Heute hingegen ist, jedenfalls
im Sommerhalbjahr, das Schweizerdeutsch der Ferienhausbesitzer und
Tagestouristen die Umgangssprache. Vor der Kirche blicken wir hinauf zum
2188 Meter hohen Ghiridone mit seinem gut erkennbaren Gipfelkreuz. Der
horizontbeherrschenden Grenzberg zu Italien genau im Süden, der auch
Gridone geschrieben wird und den die Italiener Monte Limidario nennen,
ist von auffallend dunkler Farbe. An dieser Stelle, so haben Geologen vor ei-
niger Zeit entdeckt, drang während der Alpenfaltung Tiefengestein aus dem
Erdmantel in die Erdkruste empor und wurde später von der Erosion
freigelegt.
Pro Centovalli
Linkerhand ist auch der Pizzo Leone gut erkennbar. Beide Gipfel haben wir
schon besucht und waren begeistert. Was für eine Aussicht auf den Lago
Maggiore und das Centovalli! Auf der anderen Talseite des Centovalli ist
Monte di Comino und der Pizzo Ruscada gut ersichtlich. Auch das war eine
schöne Wanderung.
In Rasa wählen wir den Weg nach Intragna. Vor uns liegt nun ein doch recht
steiler Abstieg über fast 600 Höhenmeter bevor. Der Abstieg ins Centovalli
führt zunächst in östlicher Richtung ebenen Weges aus dem Dorf und steigt
durch herrliche Kastanienwälder auf dem alten Saumpfad zur breiten Lich-
tung von Bosind 847 m.ü.M. und Corte di Sotto ab. Bei der Alpsiedlung Corte
di Sotto kaufen wir Käse ein. Hätten wir gewusst das der Käse so gut ist,
hätten wir mehr davon gekauft. Über schmale Waldstreifen und Wiesenhänge
geht es auf der Geländerippe gemächlich abwärts zu den offenen Hängen von
Cadalom 661 m.ü.M. Nun folgt der etwas steiler werdende eigentliche Abstieg
ins Centovalli. Doch weil man immer wieder staunend stehen bleibt, können
sich Muskeln und Gelenke jeweils etwas erholen. Nehmen wir uns also Zeit
für Pausen. Immer wieder fällt der Blick zur gegenüberliegenden Flanke und
auf den hohen Kirchturm von Intragna, der den Eingang zum Centovalli be-
wacht. Auf mehreren Wegwindungen verlieren wir rasch an Höhe und gelan-
gen zur Querung des Ri di Vacariccio. Der gut ausgebaute Saumweg läuft nun
oberhalb der Melezza durch stark bewaldete Hänge talauswärts und kommt
immer wieder an Seitenbächen vorbei, in denen wassergefüllte Felsbecken
zur Erfrischung einladen. Bei Punkt 338 m.ü.M. nicht zur Passerelle über
die Melezza, sondern weiter ostwärts durch üppigen Wald mit vielen kleinen
Schluchten, vorbei an Corte di Didas, zum “Ponte Romano”.
Auf der Melezzabrücke 309 m.ü.M. ist der Tiefpunkt und gleichzeitig der
Höhepunkt unserer Wanderung erreicht. Selbst wenn sich an dieser Stelle
das Tal ein kleines bisschen weitet und der Fluss Raum für die Ablagerung
einiger Kiesbänke erhält, bekommt man den Eindruck einer exotischen Ge-
birgslandschaft. Kenner Südamerikas versichern, manche Gebiete der öst-
lichen Anden mit ihrem dichten Urwaldteppich würden einen ganz ähnli-
chen Anblick bieten. Tatsächlich sind hier bestimmt 80 Prozent der Fläche
von Bäumen bedeckt, und dieser Anteil nimmt noch zu, denn nach und
nach werden einst alpwirtschaftlich genutzte Flächen vom vordringenden
Buschwald überwuchert.
Wir überqueren die eindrucksvolle Steinbogenbrücke unterhalb von Intra-
gna, die sich mit elegantem Schwung über die Schlucht der Melezza wölbt.
Zuoberst trägt sie noch auf der Brüstungsmauer ein kleines Kapellchen.
Wir benützen die Brücke, um auf die linke Talseite zu gelangen, von wo ein
Serpentinenweg mit Gegenanstieg aus dem Schluchttal hinauf zum Bahn-
trasse und zur Centovalli-Strasse führt. Auf der Strasse Richtung Intragna
kommen wir am Grotto du Rii vorbei. Spontan entscheiden wir uns hier
einzukehren.
Grotto du Rii
Bei einer kleinen Wurst- und Käseplatte begleitet von einem Glas
Nostrano, lassen wir die heutige Wanderung Revue passieren.
Der rote Eigenwein (so die Bedeutung von Nostrano) stammt von den
Reben am Steilhang oberhalb der Bahnlinie. Früher war Rebbau im
klimabegünstigtem Teil des Tales stärker verbreitet ebenso wie der
inzwischen gänzlich verschwundene Getreideanbau. Noch vor hundert
Jahren lebte die Bevölkerung weit gehend von Selbstversorgung mit
Brot, Wein, Mais, Kastanien und Milchprodukten. Damals gab es keine
Bahnverbindung, die Zufahrtstrassen waren holprig, das Wegnetz müh-
sam zu begehen. Wir können aber nach der Mittagspause über einen
schönen Trottoir nach Intragna 339 m.ü.M. zurücklaufen, und so
unsere heutige Wanderung beenden.

Reizvolle Wanderung,
im wilden und natur-
belassenem Tessin.
Wildes einsames Tessin.
Wanderung kann
praktisch während
dem ganzen Jahr
durchgeführt werden.

Tourenblatt mit Wanderkarte und Höhenprofil
Link zu den anderen Wanderungen
Für die ganze Strecke benötigten wir ca. 2 1/4 Std. 5,8 km
ca.250m Aufstieg
ca.800m Abstieg
898m höchster Punkt
296m tiefster Punkt

Über einen Eintrag in unserem Gästebuch
Link zum Gästebuch
würden wir uns freuen

Manuela & Franco



Es können keine Kommentare abgegeben werden.

AKTUELL IM BLOG


    Notice: Undefined variable: pre_HTML in /var/www/ch.giacomello.archive.blog/wp-content/themes/wanderungsblog/sidebar.php on line 59

    Notice: Undefined variable: post_HTML in /var/www/ch.giacomello.archive.blog/wp-content/themes/wanderungsblog/sidebar.php on line 67

MEHR ZUM THEMA Jakobsweg


MEHR ZUM THEMA Tessin


MEHR ZUM THEMA Glarnerland