Tessin - Geschrieben am Freitag, August 29, 2014 20:56 von Franco - 0 Kommentare

Wanderung Arzo – Poncione d’Arzo – Monte San Giorgio

29.8.14

Alle Fotos zu dieser Tour unter diesem Link ersichtlich:
Wanderung Arzo – Monte San Giorgio

Im Mendrisiotto ist die Grenze zu Italien nie weit, gefühlt wie geografisch. Und bei der
Überschreitung des Poncione d’Arzo steht man gelegentlich sogar mit einem Fuss im
Tessin, mit dem anderen in der Lombardei. Das stört heute niemanden mehr, ein
Grenzer ist auch nicht in Sicht, nur vergammelte Drahtgitter erinnern noch daran,
dass hier einst der Schmuggel blühte. An dem unscheinbaren Gipfel wurden allerdings
nicht nur Zäune errichtet, sondern auch umfangreiche Grenzbefestigungen erbaut.
Sie waren Teil der sogenannten »Linea Cadorna«, die im Ersten Weltkrieg einen mö-
glichen Durchmarsch deutscher Truppen durch die Schweiz in die Poebene verhindern
sollte. Benannt ist das Bollwerk nach seinem geistigen Vater, dem damaligen italie-
nischen Oberbefehlshaber Luigi Cadorna (1850-1928). Ihm verdankt Italien ein spin-
nenartig verästeltes Netz von Militärstrassen und Nachschubpfaden, das mittlerweile
grösstenteils touristisch genutzt wird: ein General für den Frieden? Natürlich nicht.
Dass die Alliierten an der Piavefront bzw. am Monte Grappa die vorrückenden Trup-
pen der Achsenmächte nach der verheerenden italienischen Niederlage in der Zwölften
Isonzoschlacht (1917) doch noch aufhalten konnten, verdankten sie allerdings dem
(damals bereits abgesetzten) Feldmarschall: Er hatte auch an dieser letzten Front
nicht gespart, Verteidigungsstellungen und Versorgungswege anlegen lassen.
Der Aufstieg startet auf der malerischen Piazza mitten in Arzo 500 m.ü.M. Berühmt ist
Arzo für seine bunten Marmore, die bereits im Mittelalter abgebaut wurden. Marmor
ist ein metamorphes Gestein, das meistens aus Calcit oder Dolomit besteht und sich gut
polieren lässt. Der Wanderweg führt zunächst nördlich in das (kleine) Val Maggiore.
Hinter der Häusergruppe Perfetta taucht der gute Weg in den Wald ein; 150 m höher,
an der Costa di Prabello 707 m.ü.M., mündet er auf eine Lichtung. Die Route folgt nur
kurz dem Kamm, wendet sich dann in die Südostflanke des Bergstocks. An der Pre
Secco, der “trockenen Wiese” 771 m.ü.M., geht man nicht geradeaus, sondern biegt
gleich links wieder in den Wald ein 887 m.ü.M. In ihm zunehmend steiler bergan
und zuletzt mit der Landesgrenze zum Ostgipfel des Poncione d’Arzo 1015 m.ü.M.
Nicht zu Unrecht hat man diesen südlichsten Zipfel des Kantons Tessin als “Vorhof
der Lombardei” bezeichnet. Hier sind die Alpen ferne Kulisse, eine andere, südlän-
dische Lebensfreude atmende Welt tut sich auf. Die harten Konturen in der Land-
schaft sind verschwunden, sanftwelliges Hügelland breitet sich aus. Wiesen, Mais-
felder, Rebberge, dazwischen kleine Wasserläufe, ins Grün “getupfte” Dörfer. Nicht
zu übersehen sind allerdings auch die Verwüstungen, die diese Idylle in den letzten
Jahrzenten hinnehmen musste: Tanklager, die Autobahn mit ihren Zubringern,
Shoppingcenter und Industrieanlagen, ziehen sich als breite Schneise vom Südende
des Luganer See bis zur Grenze bei Chiasso: Tessiner Kontraste. Das ganze Gebiet
um den Poncione d’Arzo ist übersät mit Alpenveilchen. So viele Alpenveilchen haben
wir noch nie gesehen. Der Wanderweg führt nun am Nordgrat über einen gut markie-
rten zickzack Weg, sehr steil hinunter zum Albero di Sella 897 m.ü.M., folgt dann
noch ein Stück weit der Grenze (teilweise Zaun), ehe er allmählich nach Nordosten
abdreht. An der Wegverzweigung Crocifisso 670 m.ü.M. bei der Strasse nach Serpia-
no, nehmen wir die Abkürzung über das kleine Tal von Val Porina. Dieser Wander-
weg ist nicht so überlaufen wir der der von Serpiano auf den Monte San Giorgio führt.
Der Monte San Giorgio und der Poncione d’Arzo liegen zwischen dem Basso Ceresio
und dem Mendrisiotto, den beiden südlichsten Regionen des Tessins, die wie ein
Zipfel tief in die italienischen Provinzen Varese und Como hineinreichen. Dieser Teil
der Südschweiz, der “italienischer” ist als das nördliche Tessin, lag vor 200 Millionen
Jahren im Küstenbereich des Meeres. Und tatsächlich fand man am Monte San
Giorgio Versteinerungen von Sauriern, die zum Teil einmalig in der Welt sind, wie
der 230 cm lange Ceresiosaurus (von “Ceresio”, wie der Lago di Lugano auch heisst)
und der noch längere Ticinosuchus ferox. Ferox heisst auf Lateinisch wild, und da
können wir froh sein, dass wir diesen Gesellen nur im Fosillienmuseum von Meride
antreffen. Wegen seiner Einmaligkeit wurde der Monte San Giorgio ins Bundes-
inventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung aufge-
nommen. Und am 2.Juli 2003 ist er als eine der reichsten paläontologischen Stätten
der Welt zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt worden. Damit hat das Tessin mit
den mittelalterlichen Burganlagen von Bellinzona gleich zwei Objekte auf der prestige-
reichen World Heritage List.
Monte San Giorgio
Der Wanderweg führt uns bis zum Punkt 914 m.ü.M. Hier stösst der Wanderweg der
von Serpiano her kommt hinzu. Südseitig geht es mässig steil, mit stattlichen Eichen
und Buchen bestandenen Hang aufwärts. Der höchste Punkt der Gipfelplateau den
Monte San Giorgio 1097 m.ü.M. mit der kleinen Kapelle San Giorgio und Rastbänken
wird rasch erreicht. Im Mittelalter lebte hier der Einsiedler Beato Manfredo Settala,
der aus einer reichen Mailänder Familie stammt. Es bietet sich uns ein grandioser
Ausblick nach Norden und hinunter auf den Luganer See. Direkt unter uns liegt die
Ortschaft Brusino-Arsizio am Luganer See. Gegenüber baut sich die Halbinsel Ceresio
auf, mit ihren beiden prägenden Berggestalten, dem Monte Arbostora und dem Monte
San Salvatore. Gut erkennen wir auch die Ortschaften der Halbinsel: Melide und
Morcote liegen direkt am See, darüber befinden sich Vico Morcote, während sich die
Häuser von Carona am lang gezogenen Rücken zwischen Monte Arbostora und Monte
San Salvatore verteilen. Hinter dem Melide-Damm, der den See in zwei Teile zu tren-
nen scheint, erkennen wir das dicht verbaute Lugano, dessen Häuser sich weit den
Berghang des Monte Brè hinaufziehen. An der Ostseite des Luganer See liegt Bissone
am Seeufer, etwas oberhalb Rovio. Der Monte Generoso schliesst dieses Panorama
mit seinem hohen Gipfel ab. Im Süden verschwinden die letzten Ausläufer der Alpen
im Dunst der Po-Ebene. Auf einer Rastbank neben der kleinen Kapelle haben wir die
Mittagspause eingelegt. Über einen breiten Wanderweg mit kunstvoller Pflasterung,
verlassen wir den Monte San Giorgio. Über Fiorello 1032 m.ü.M. geht es an dem
breiten licht bewaldeten Rücken über dem Val Serrata laufend abwärts. Obwohl der
Weg gut angelegt ist, sind die schuppenartig brechenden Steinplatten manchmal
recht hinderlich. Jeder Naturfreund wird sich an einer trockenen, blüte- und
schmetterlingsreichen Wiese erfreuen. Das gesamte Gebiet um den Monte San
Giorgio steht unter Naturschutz, weshalb man hier keine Pflanzen pflücken oder
ausgraben, Insekten fangen oder von den Wanderwegen abweichen kann. Der
Wanderweg steigt dann ab zur Kirche San Silvestro die auf den Fundamenten einer
geschleiften Burg steht. Auf dem Strässchen spazieren wir dann hinein nach Meride,
das durch sein weitgehend unversehrtes, geschlossenes Ortsbild beeindruckt. Meride
578 m.ü.M. liegt landschaftlich sehr schön auf einem kleinen Plateau am Südfüss des
Monte San Giorgio. Die Pfarrkirche San Rocco steht im Zentrum. Dank seiner Lage
abseits der Hauptverkehrswege konnte Meride seinen ursprünglichen Charakter
weitgehend erhalten. Wegen des schönen Ortsbildes wurde dieses “Freilichtmuseum
des Mendrisiotto” unter Denkmalschutz gestellt. Neben schönen Rebhänge und über
Punkt 563 m.ü.M. erreichen wir danach bei den “Cantine”, der Grotto Fossati. Hier
haben wir eine kleine Pause eingelegt und einen “Bianco” getrunken. Im Guide
Michelin steht geschrieben: Geniessen Sie in diesem rustikalen Lokal mitten im
Grünen ein gutes Tessiner Gericht. Im Sommer Bedienung auf der mit Bäumen
umgebenen Terrasse. Entspannen Sie sich nach dem Essen bei einer Partie Boccia.
Über die Hauptstrasse erreichten wir danach wieder Arzo. Da wir am Nachmittag
noch Zeit hatten, machten wir einen kleinen Ausflug nach Riva San Vitale das sich
in der Nähe befindet.
Gleich von Anfang: Riva San Vitale, das eine sehr bewegte Geschichte aufweist, in den
Wirren nach dem Untergang der alten Eidgenossenschaft (1798) sogar für 16 Tage!
ein unabhängiges Mini-Staatswesen war, besitzt zwei Kunstdenkmäler von überregio-
naler Bedeutung. Das Baptisterium San Giovanni neben der Pfarrkirche gilt als ältestes
erhaltenes Gotteshaus der Schweiz. Der von einem achteckigen Tambour bekrönte
Zentralbau – ursprünglich mit überdachtem Umgang – geht auf die Zeit um 500 n.Chr.
zurück. Jüngeren Datums sind die Ostapsis und die Freskenreste des in Riva verehr-
ten Manfredo Settala, der als Einsiedler am Monte San Giorgio lebte, wo er 1217 auch
starb. Aus der Bauzeit des Baptisterium stammt der kunstvoll verlegte Mosaikboden;
in seiner Mitte ist ein achteckiges Becken (piscina) eingetieft, das ursprünglich zur
Taufe diente. Erst im Mittelalter wurde der Taufstein, ein mächtiger Monolith mit
fast zwei Metern Durchmesser, aufgestellt. Nicht zu übersehen ist am nördlichen
Ortsrand von Riva San Vitale der Turm von Santa Croce. Das Gotteshaus, im ausge-
henden 16.Jh. erbaut, gilt als eine der gelungensten Schöpfungen der Renaissance
auf Schweizer Boden. “Grandioser Innenraum mit acht eingestellten Kolosallsäulen,
über denen sich ein kräftig verkröpftes Gebälk, die Pilaster des Tambours und die
Gurten der Kuppel entwickeln. Santa Croce ist ein stolzer Nachfahre der grossen
Renaissancezentralbauten mit Kuppeln (St.Peter in Rom, Montepulciano, Todi).
Nach dieser schönen Wanderung und Besichtigung der zwei Kirchen, fuhren wir
über die Grenze in das naheliegende Viggiù (Italien). Im B&B “Le Pinete” haben wir
danach unser Zimmer bezogen.
B&B “Le Pinete”
Einfach traumhaft schön. Wir können es nur empfehlen. Absolute Topbedienung.

Lohnende Gipfelüberschreitung,
mit einem Prachtblick auf
den Luganersee.
Überwiegend schattige Wanderung.
Nur bei trockenem Wetter ratsam
(Abstieg vom Poncione d’Arzo).
Im Herbst viel Laub auf den Wegen,
deshalb Teleskopstöcke empfehlenswert.
Am bewaldeten Gipfel vom Poncione d’Arzo
keine umfassende Aussicht,
aber schöne Tief- und Fernblicke
(Luganer See, Walliser Alpen).

Tourenblatt mit Wanderkarte und Höhenprofil
Link zu den anderen Wanderungen
Für die ganze Strecke benötigten wir ca. 4 3/4 Std. 13,6 km
ca.950m Aufstieg
ca.950m Abstieg
1097m höchster Punkt
500m tiefster Punkt

Über einen Eintrag in unserem Gästebuch
Link zum Gästebuch
würden wir uns freuen

Manuela & Franco



Es können keine Kommentare abgegeben werden.

AKTUELL IM BLOG


    Notice: Undefined variable: pre_HTML in /var/www/ch.giacomello.archive.blog/wp-content/themes/wanderungsblog/sidebar.php on line 59

    Notice: Undefined variable: post_HTML in /var/www/ch.giacomello.archive.blog/wp-content/themes/wanderungsblog/sidebar.php on line 67

MEHR ZUM THEMA Jakobsweg


MEHR ZUM THEMA Tessin


MEHR ZUM THEMA Glarnerland